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3.1 Bewerbungsgespräch, Einstellungsgespräch, Vorstellungsgespräch
Das Bewerbungsgespräch ist Bestandteil der meisten Bewerbungsverfahren. Ihm voraus gehen aber üblicherweise Bewerbungsunterlagen, wie bei den meisten anderen Auswahlverfahren auch. Wenn die Forschung im Falle der Bewerbungsunterlagen auch noch nicht weit fortgeschritten ist, ist ihre durchschnittliche prognostische Validität bei Vorgesetztenbeurteilung von Reilly und Chao (1982, zitiert nach Schuler, 1998, S.245) auf r=0.18 errechnet worden, wobei r= für den Korrelationskoeffizienten steht, welcher die Korrelation zwischen den gemessenen Merkmalen und z.B. dem Berufserfolg darstellt. r= 1 würde z.B. bedeuten, dass der Berufserfolg völlig von dem gemessenen Merkmal determiniert ist. r=0 steht für die völlige Unabhängigkeit der beiden gemessenen Merkmale. Ein hoher Korrelationskoeffizient im Fall der prognostischen Validität steht somit für z.B. Berufserfolg.
Es gibt verschiedene Formen von Einstellungsgesprächen, die freie Gesprächsform, teilstrukturierte Gespräche und standardisierte (Schuler, 1994). Inhaltlich beziehen sich die Fragen im Vorstellungsgespräch auf Fragen zu „…Berufserfahrung und Berufsausbildung, auf Aspekte des Lebenslaufs und deren subjektive Verarbeitung, gelegentlich auch auf persönliche Bereiche wie den des familiären Hintergrunds" (Schuler, 1998, S.246). Im Gegensatz zu anderen Verfahren ermöglicht das Interview dem Unternehmen sich dem Bewerber zu präsentieren, sowie ihm den zu besetzenden Arbeitsplatz vorzustellen. Es gibt außerdem die Gelegenheit die Erwartungen des Bewerbers kennen zu lernen. Des Weiteren ist es möglich Vertragsbedingungen zu vereinbaren (Schuler, 1998).
Das Situative Interview kennt strikte Vorgaben für die Auswertung der Antworten. Das Multimodale Einstellungsinterview versucht einige bereits bekannte Mängel zu überwinden, indem es durch eine feste Abfolge gekennzeichnet ist, welche aus sieben verschiedenen Komponenten besteht. Konzepte von Einstellungsgesprächen, welche biografiebezogene Fragestellungen beinhalten, erweisen sich auch als Verbesserungen gegenüber der konventionellen Anwendung (Schuler, 1998). An dieser Stelle sei kurz der biografische Fragebogen erwähnt, über welchen Schuler schreibt, dass sich die Fragen „…im wesentlichen auf das, was auch Bewerbungsunterlagen und Einstellungsinterview an prognostisch relevanter Information enthalten“ (1998, S. 249), beziehen. Hunter und Hunter (1984, zitiert nach Schuler, 1998, S.249) kommen in einer Metaanalyse auf eine prognostische Validität des biografischen Fragebogens von r=0.37 bei Beurteilung durch Vorgesetzte.
Schuler und Funke schreiben über das Bewerbungsgespräch: „Die Antworten des Bewerbers wie auch weitere Eindrücke aus dem Gesprächsverlauf, beispielsweise nonverbales Verhalten betreffend, werden gewöhnlich zu einem »klinischen« Urteil - also in intuitiver Kombination und Gewichtung - zusammengefasst" (Schuler, 1998, S. 246). Bei Etzel und Küppers ist zu lesen, dass bisher „...bezüglich der Objektivität und Reliabilität der Urteile von Interviewern eher ernüchternde Ergebnisse" (2002, S.42) dokumentiert wurden. Sie führen weiter aus, dass zwei Ursachen für die mangelnde Qualität eines Interviews verantwortlich seien könnten. Zum einen sei dies die Urteilskompetenz des Interviewers, also die Verarbeitung der Informationen, zum anderen könne es an der Qualität der Gesprächsführung liegen, d.h. daran, wie die zu verwertenden Daten erhoben werden. Verschiedene Studien dokumentieren, dass die Inter-Rater-Reliabilität bei Bewerbungsgesprächen niedrig ist. Unter Inter-Rater-Reliabilität wird das Maß der Übereinstimmung der Einschätzungen von verschiedenen Beobachtern verstanden. Somit ist sie Indiz für die Objektivität eines Verfahrens. Die Objektivität des unstrukturierten Einstellungsgesprächs ist damit auch als niedrig zu bewerten (Etzel & Küppers, 2002).
Das Einstellungsinterview gilt als wenig valide. Hunter und Hunter kommen in einer Metaanalyse von 1984 auf eine Durchschnittsvalidität von r=0.14 (1982, zitiert nach Schuler, 1998, S. 247). In der Metaanalyse von Wiesner und Cronshaw (1988, zitiert nach Schuler, 1994, S. 99) beträgt der mittlere Validitätskoeffizient bei unstrukturierten Vorstellungsgesprächen r=0.13, bei strukturierten r=0.40. Für die geringe prognostische Validität bei unstrukturierten Einstellungsgesprächen werden verschiedene Ursachen angegeben. Um nur einige zu nennen, mangelnder Anforderungsbezug der Fragen, unzulängliche Verarbeitung der Informationen, emotionale Einflüsse auf die Urteilsbildung (Schuler, 1994).
Unabhängig von den niedrigen Validitätswerten des Einstellungsgesprächs ist es das am meisten angewandte diagnostische Einstellungsverfahren. Erklären lässt sich dies möglicherweise durch die bereits genannten Vorteile des Gesprächs gegenüber anderen Verfahren, wie z.B. die Möglichkeit des Unternehmens sich dem Bewerber vorzustellen und das Kennenlernen der Erwartungen des Bewerbers. So wird es zu einem „…unentbehrlichen Bestandteil der Vorstellungs- und Einstellungsprozedur…[auch] wenn seine prognostische Validität zu wünschen übrigläßt“ (Schuler, 1994, S. 99).
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